RESERVA DRACULA

Landerwerb

Bergwald vs. Tiefland-Wald q Die Bergwälder der Anden besitzen eine höhere Artendichte als die Regenwälder des Amazonasbeckens. Aufgrund ihrer immensen Fläche kommen die Amazonaswälder in der Summe zwar auf höhere Artenzahlen, beispielsweise an Baumarten mit sehr kleinem Verbreitungsgebiet. Bergwälder verfügen aufgrund ihrer streifenförmigen Ausdehnung entlang einer bestimmten Höhenstufe über sehr viel weniger Gesamtfläche als der Tieflandwald und sind daher von Rodungen stärker betroffen. Etliche Arten besitzen zudem nur eine beschränkte Höhenamplitude, so dass sich das Artenspektrum von unten nach oben ständig wandelt. Das heisst, um alle Arten bzw. Lebensräume zu schützen, sind Reservate in verschiedenen Höhen nötig.
Die Bergzonen der Anden mit ihrem oft angenehmen Klima und den teilweise ackerfähigen Böden sind wesentlich dichter besiedelt als das Amazonasbecken. Der Rodungsdruck ist daher um einiges höher. Pessimistische Prognosen sagen, dass in Ecuador bis in absehbarer Zeit keine Bergwälder ausserhalb von Schutzgebieten mehr existieren werden. Sehr viel Wald befindet sich in Privatbesitz. Ersatzloses Roden ist grundsätzlich gestattet, denn aus staatlicher bzw. wirtschaftlicher Sicht bringt Wald kaum Rendite, während die Landwirtschaftsfläche, die sich dadurch gewinnen lässt, Erträge abwirft.

Unzugänglichkeit vs. Erschliessung q Für viele dieser verbliebenen Privatwälder ist der beste Schutz die Unzugänglichkeit aufgrund steiler Hänge und fehlender Strassen. Die Besitzer können allenfalls einzelne Bäume für den Eigenbedarf schlagen. Mehr nicht.
Dies ändert sich schlagartig und dramatisch, wenn durch ein grosses Waldgebiet eine Strasse gebaut wird. Die Flächen entlang der Strasse werden zu gut erreichbaren Landwirtschaftsflächen. Sie steigen im Wert und werden über kurz oder lang gerodet. Das wiederum hat zwei fatale Konsequenzen:

  1. Eine schmale Waldstrasse mit Naturbelag und ohne Randverbauungen ist für die allermeisten Tiere noch überquerbar. Ziehen sich beidseits der Strasse offene Flächen, so entsteht eine unüberbrückbare Barriere, besonders dramatisch für Affen. Damit werden deren Populationen voraussichtlich für immer getrennt.
  2. Der Wald schützt den Boden vor Erosion. Die hohen Niederschläge spülen den Boden in Kürze weg, da es sich sehr oft um Steilhänge handelt. Die wenigen Nährstoffe, die im Oberboden liegen, werden von den Kulturpflanzen verbraucht. Übrig bleiben Sekundärflächen, die zudem oft noch pestizidgeschädigt sind. Sie werden allenfalls als ertragsarme Viehweide genutzt oder sich selbst überlassen. Aufforstungen finden so gut wie nicht statt.

Verbindungsstrasse 2008 q Genau dieses Szenario - Strassenbau durch ein grosses, unerschlossenes Waldgebiet - hat sich im Jahr 2008 an der Nordgrenze Ecuadors ereignet. Zwei bisher getrennte Täler - das Mira-Tal und das San Juan-Tal - wurden durch eine 25 km lange Waldstrasse verbunden. Diese startet und endet jeweils auf 1'100 m und führt auf langer Strecke über ein Hochplateau im Bereich 1'800 bis 2'300 m.

Naranjilla q Die vorherrschende Kulturpflanze in diesem Bereich ist die sogenannte Naranjilla, die in Kolumbien Lulo und botanisch Solanum quitoense heisst.
Für Naranjilla wird nach wie vor Primärwald gerodet. Als Faustregel gilt: der Bauer erwirtschaftet auf einem Narajilla-Feld innerhalb von 2 Jahren einen Brutto-Ertrag von etwa 2'000 USD. Danach ist der Boden so ausgelaugt und kontaminiert, dass die Kultur aufgegeben werden muss. Für diese 2'000 USD muss der Landwirt jedoch während zweier Jahre arbeiten. Er hat zusätzliche Kosten für Fahrzeuge, Geräte, Dünger, Herbizide, Fungizide, Insektizide und Wuchshormone. Unter dem Strich bleiben etwa 1'000 USD. Das entspricht grosso modo dem Preis für eine Hektare (100 x 100 m) Primärwald. Mit anderen Worten: wer den Wald verkauft, statt ihn zu schlagen, steht finanziell etwa gleich gut da, mit dem Unterschied, dass in einem Fall am Ende noch Primärwald dasteht, im anderen Fall nur noch zerstörtes Land.
Daher ist unsere klare Strategie, so viel Wald zu kaufen wie nur möglich. Limitiert sind wir eigentlich nur durch die verfügbaren Mittel.

Klimaschutz q Obwohl dies nicht das primäre Ziel ist, wird durch den Wald (an Stelle von Ödland) selbstverständlich ein Mehr an Kohlenstoff gebunden. Die nahezu 20 qkm (2'000 ha), die in absehbarer Zeit geschützt sein werden, sind dadurch auch ein Beitrag zum Klimaschutz.

Reserva Drácula, Ecuador